Damit Du einen Eindruck davon bekommst was ME/CFS eigentlich ist und was es im Alltag bedeutet, haben wir kurz und knapp ein paar Infos zusammengestellt. Aus erster Hand und eigener Erfahrung. Detaillierte Erklärungen und viel Info-Material findest Du auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS e. V.
Zum Einen möchten wir damit die Krankheit etwas bekannter machen, denn selbst in Medizinerkreisen ist sie weitgehend unbekannt. Zum anderen zeigen wir Dir hier, was ME/CFS für KingBEAR bedeutet und warum manche Dinge eben bei uns so laufen, wie sie laufen. Eine sehr detaillierte Beschreibung meines eigenen Werdegangs von COVID19 zu ME/CFS findest Du in diesem Blogbeitrag.
Ein paar Begriffe, die Du kennen solltest
ME/CFS
ME/CFS steht für “Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom”. Sie ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, an der vor der COVID19-Pandemie schätzungsweise 250.000 Patienten in Deutschland erkrankt waren. Aufgrund der Folgen der Pandemie geht man davon aus, dass sich diese Zahl bis heute etwa verdoppelt hat.
ME/CFS ist also gar nicht so selten wie man denkt. Und sie ist auch nicht neu: meist entsteht sie im Zusammenhang mit Virus-Infektionen wie Pfeifferschem Drüsenfieber oder der Influenza, und nun eben auch SARS-Cov-2. Das Problem: die Krankheit ist nach außen weitestgehend unsichtbar, denn das Leitsymptom PEM ist eine chronische, tiefe Erschöpfung nach kleinsten Anstrengungen. Dies kann bei schweren Verläufen bis hin zu totaler Bettlägerigkeit führen.
Die Krankheit ist bis heute nicht heilbar und zudem kaum erforscht. Alle Behandlungsansätze sind experimentell, und für die Diagnostik können nur klinische Befunde herangezogen werden. Es gibt nicht den einen Marker, mit dem die sichere Diagnose gestellt werden kann. Das macht das Erkennen von ME/CFS mühsam und führt dazu, dass die Erkrankung erst sehr spät diagnostiziert wird. Häufig werden vor allem psychosomatische Fehldiagnosen gestellt, die sehr belastend und stigmatisierend sein können.
Neben der sehr spezifischen Erschöpfungs-Problematik führt ME/CFS auch zu einer ganzen Reihe anderer Symptome. Sehr häufig sind dies starke kognitive Einschränkungen, der “Brain Fog”. Aber auch starke Schmerzen, Kreislaufprobleme, diverse Immunreaktionen und nicht zuletzt auch psychische Probleme infolge der mit ME/CFS verbundenen Einschränkungen gehören dazu.
ME/CFS bedeutet für uns Betroffene schwere Einschränkungen im alltäglichen Leben, denn die verbleibende Energie muss immer so eingeteilt werden, dass ein Crash um jeden Preis vermieden wird. Viele ansonsten selbstverständliche Aktivitäten werden zur Belastung oder können gar nicht mehr ausgeführt werden.
KingBEAR ist zum Glück einigermaßen mit meinem aktuellen Zustand kompatibel, denn die meisten Abläufe sind sauber strukturiert und ich bin ja nicht alleine. Wir teilen hinter den Kulissen die Aufgaben neu auf und gestalten ein paar Dinge entsprechend den nun reduzierten Ressourcen um.
Der Crash: PEM
Die PEM (Post-Exertionelle Malaise) ist das Leitsymptom von ME/CFS. Von Betroffenen wird sie oft und sehr treffend auch “Crash” genannt. Sie bedeutet eine Verschlechterung aller Symptome nach Anstrengung. Sie tritt oft mit Verzögerung von bis zu 48 Stunden auf und ist neben der Verschlechterung der bestehenden Symptome sehr oft mit einem rapiden Abfall des Leistungsniveaus verbunden. Ein Crash kann wenige Stunden bis mehrere Wochen dauern, und je nach Schwere wird das Vor-Leistungsniveau anschließend nicht mehr erreicht.
Auslöser für eine PEM können sehr unterschiedlich sein. Die Bandbreite reicht vom Offensichtlichem wie Sport oder schwerer körperlicher Arbeit bis hin zu kleinsten Reizen wie bestimmte Geräusche oder Gerüche. Auch geistige oder emotionale Anstrengungen können zu einem Crash führen, und nicht immer passen Schwere des Crashs und Intensität des Auslösers zusammen.
Für mich selbst fühlt sich ein Crash an wie ein Kater in Kombination mit einer schweren Grippe. Will man nicht haben. Ich habe dann keine Kraft, Arme und Beine fühlen sich an wie mit Blei ausgegossen. Die Muskulatur schmerzt, hinzu kommen starke Kopfschmerzen, Sehstörungen und ein extrem starkes, allgemeines Krankheitsgefühl. Eine PEM schränkt meinen Aktionsradius auf unter 100m ein und kann mal einen Tag, aber auch mal 2 Wochen anhalten.
Was leider – und auch das ist typisch und spezifisch für ME/CFS – nicht hilft, ist Training. Die Sensibilität der Trigger und die Auslöseschwelle für eine PEM lassen sich auch durch “bewusstes Abhärten” nicht beeinflussen. Im Gegenteil können solche Versuche schnell eine weitere PEM auslösen. Der gut gemeinte Rat (auch von vielen Ärzten) sich einfach mal mehr an der frischen Luft zu bewegen oder mehr Sport zu treiben ist für uns Betroffene nicht nur belastend (wir würden das nämlich wirklich gern tun), sondern auch gefährlich. Wenn ihr helfen wollt könnt ihr das tun, in dem ihr uns bei der Einhaltung unserer Limits unterstützt und einen nötig werdenden “Rückzug” akzeptiert.
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Mehr InformationenPacing
Pacing ist das gut erprobte Mittel, um Crashes zu vermeiden. Und es ist derzeit gleichzeitig der einzig fundierte Weg, ein weiteres Fortschreiten von ME/CFS zu stoppen.
Beim Pacing geht es um ein konsequentes Aktivitäts- und Energiemanagement. Alle Aktivitäten des Tages werden dabei an den eigenen, individuellen Ressourcen ausgerichtet mit dem Ziel, die persönliche Belastungsgrenze nicht zu überschreiten. Das erfordert eine hohe Sensibilität und viel Disziplin und kann schon mal schnell zu einer großen Herausforderung werden.
Für Außenstehende kann Pacing schnell skurril wirken, und Konsequenzen daraus wie z. B. der Abbruch einer Tätigkeit oder das kurzfristige Absagen einer Verabredung stoßen nicht immer auf Akzeptanz. Wenn Pacing aber gut funktioniert, dann ermöglicht es uns erst eine – wenn auch begrenzte – Teilhabe am “normalen” Leben. Hier sind Betroffene auf Verständnis in ihrem Umfeld angewiesen.
Für mich persönlich bedeutet Pacing, zunächst einmal die nötigen Aktivitäten des Alltags wie Aufstehen, Duschen, Kochen, Putzen usw. in gut getaktete und geregelte Strukturen zu packen, denn erschütternderweise sind diese Energiefresserchen hungriger als gedacht. Dann versuche ich meinen Arbeitsalltag so gut wie möglich vorauszuplanen und damit verbundene Aufgaben in kleine, überschaubare Häppchen zu teilen, damit Zeit für Pausen bleibt. Das funktioniert bei KingBEAR recht gut, denn in aller Regel gibt es dort keinen direkten Kundenkontakt. Für den Job als Optiker muss ich Energie-Rücklagen einplanen, was bedeutet dass an den Arbeitstagen dort alle folgenden Aktivitäten auf einer “Kann-Liste” landen und im Zweifel gecancelt werden müssen. Pausen zu machen und bei Erreichen der Belastungsschwelle abzubrechen ist eine echte Herausforderung, und es klappt in der Realität nicht immer. Deshalb plane ich meinen Ressourcenverbrauch oft deutlich unterhalb der Belastungsgrenze, um Reserven für unerwartetes zu haben.
Eine weitere Schwierigkeit beim Pacing besteht darin, den Energieverbrauch einzelner Aktivitäten zu benennen. An manchen Tagen fällt das Duschen leicht, an anderen macht es eine längere Pause danach erforderlich. So erfordert Pacing eine permanente und dynamische Anpassung. Das kann schonmal nervtötend sein, und das geht auch mal schief.
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Mehr InformationenBrain Fog
“Konzentrier Dich Doch mal. Denk doch mal nach” – das würde ich ja gern. Geht aber gerade nicht. Kognitive Probleme wie Konzentrationsschwäche, gestörtes Kurzzeitgedächtnis oder verminderte Aufmerksamkeit gehören zu ME/CFS dazu. In ihrer Schwere und Ausprägung unterscheiden sie sich stark, und im Zusammenhang mit einer PEM können sie, müssen aber nicht stärker werden.
Betroffene bezeichnen das oft als “Brain Fog”, als “Nebel im Gehirn”. Und das trifft es ganz gut. Viele empfinden diese Einschränkungen im Vergleich mit den körperlichen Problemen als deutlich schlimmer, denn sie greifen auf vielen Ebenen auch unsere Persönlichkeit an.
Ich selber tue mich auch schwer zu beschreiben, was da im Kopf passiert oder was nicht. Es fällt schwer den “gedanklichen Faden” zu halten, da oft andere Gedanken oder völlig zusammenhanglose alte Erinnerungsfetzen dazwischenschießen. Den Fokus zu halten fällt schwer, insbesondere wenn Ablenkungen passieren. Und da reicht manchmal schon ein kleines Geräusch, um alles im Hirn zu einer zusammenhanglosen Masse zu verquirlen. Besonders nervig ist, dass Dinge die früher mal automatisch abliefen heute wieder sehr bewusst passieren müssen. Eine Wasserflasche aufzudrehen erfordert so z. B. wieder ein Nachdenken. In Summe dauert so alles länger, erfordert einiges an Disziplin (Notizen machen, lieber nochmal nachfragen..) und es passieren mehr Fehler.
Ein Hilfsinstrument ist das Schaffen fester Abläufe, wo immer dies möglich ist. Und ein konsequentes Abgrenzen im Sinne von “ich mache erst das hier zu Ende und kümmere mich dann um das nächste”. Im Alltag stößt man damit nicht immer auf Gegenliebe, vor allem nicht wenn man vor der Erkrankung vollkommen anders gestrickt war.
Um sicherzustellen dass bei KingBEAR nichts schief geht, können wir Gott sei Dank auf unser Qualitätsmanagement zurückgreifen. Das hat schon immer Prozesse gut strukturiert um Fehler zu vermeiden, und wir haben es um weitere Kontrollmechanismen erweitert damit es auch mit einem “foggy brain” nicht zu Dummheiten kommen kann.
Therapien
“Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine Therapie gegen ME/CFS. Aber es gibt vielversprechende Ansätze, und seit Kurzem wird hier auch endlich intensiver geforscht.
Pacing bleibt vorerst das wichtigste Mittel. Um den Energiehaushalt des Körpers zu unterstützen helfen Nahrungsergänzungsmittel. Hinzu kommen Hilfsmittel wie Brain-Trainer-Apps, Stützstrümpfe, Rollstuhl etc., und tatsächlich einige Medikamente, deren Einsatz sich aber noch im experimentellen Stadium befindet.
Spannend sind die Ergebnisse von Studien zur “hyperbaren Sauerstofftherapie“, die zumindest bei kognitiven Problem recht schnell Linderung zu bringen scheint.
Leider sind all dies eben experimentelle Ansätze, und deshalb werden die Kosten dafür nur in ganz wenigen Fällen von den Krankenkassen übernommen. Selbst bei einem zum Glück noch vergleichsweise milden Krankheits-Level wie bei mir summiert sich das im Monat schnell auf mehrere hundert Euro, die mindestens 2500 Euro pro Behandlungszyklus bei der Sauerstofftherapie sprengen einfach den Rahmen.
Das wird sich leider erst ändern, wenn sich die Studienlage verbessert. Und dazu braucht es Bekanntheit und Akzeptanz der Krankheit in Medizin, Politik und Öffentlichkeit, und es braucht vor allem Geld. Es passiert glücklicherweise gerade viel, für die jetzt schon Betroffenen kommt das aber möglicherweise zu spät.
Was sich bei KingBEAR ändern wird
Für Dich ändert sich nicht viel. Wir werden weiterhin am Ball bleiben und Dir Deine Bestellung gewohnt fix nach Hause liefern. Hinter den Kulissen verteilen wir im Team ein paar Aufgaben anders – das Planbare zu mir und alles mit Überraschungspotential von mir weg.
Neue Produkte werden zukünftig leider in größeren Abständen kommen. Zum Einen ist die Produktentwicklung sehr arbeits- und zeitintensiv, zum Anderen fordert die mit der Zertifizierung und Zulassung verbundene Bürokratie ein funktionierendes, wachsames Hirn. Und weil leider rechtlich ich selbst die “verantwortliche Person” bin, kann ich diese Aufgaben nicht delegieren. Hier muss ich also “lichte Momente” abpassen, denn Fehler werden ansonsten sehr teuer. Teuer ist auch ein weiterer Aspekt: da aktuell nicht absehbar ist wie hoch die Behandlungskosten sein werden, halte ich Investitionen in neue Produkte ganz bewusst erst mal zurück. Für eine neue Seifenrezeptur sind das schnell mal 5.000€, und das ist gerade leider viel Geld.
Wir werden weiterhin auf Märkten zu finden sein. Aber wir werden uns auf solche konzentrieren, die hinsichtlich Organisation und Ablauf möglichst stressfrei sind und sich finanziell auch lohnen. Reine Marketingveranstaltungen mit ganz viel Halligalli wie den Kölner CSD können wir nicht mehr machen. Die Marktplanung beinhaltet auch, dass im schlimmsten Fall der Stand nur von einem von uns betrieben werden kann, deshalb haben wir unsere Ausbaupläne für 2025 verworfen und konzentrieren uns auf gut erreichbare Märkte in der Nähe oder zumindest mit bezahlbaren Unterkunftsmöglichkeiten, damit es einen Rückzugsort gibt.
Zu guter Letzt: unsere Erreichbarkeit wird sich ändern. Da mein Mann immer noch seinem Vollzeit-Job nachgeht, liegen Telefon, WhatsApp und Mail-Postfach noch immer in meiner Verantwortung. Ich werde zukünftig nicht mehr immer sofort antworten können, denn ich lege mir selbst strikte Zeitfenster für diese Aufgaben fest. Keine Angst: wir reden hier nicht über ewige Bearbeitunszeiträume. Aber “sofort” geht eben nicht mehr.